Nein zur Kommerzialisierung der Bildung an der TUM und in Bayern!
Das Bayerische Hochschulinnovationsgesetz (BayHIG), das am 1. Januar 2023 in Kraft trat, machte u. a. den Weg frei, um von Studierenden aus Ländern außerhalb der Europäischen Union Studiengebühren verlangen zu können. Die Technische Universität München (TUM) kündigte nun als erste Hochschule an, diese Studiengebühren einführen zu wollen. Alle Studierenden aus Drittstaaten müssten demnach ab dem Wintersemester 2024/25 Gebühren bezahlen. Für das Bachelorstudium fallen bis zu 3.000 Euro pro Semester und für das Masterstudium bis zu 6.000 Euro pro Semester an. [1]
Der bayerische Wissenschaftsminister Markus Blume sagte Mitte September gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Auf Wunsch der Hochschulen haben wir diesen ermöglicht, in eigener Verantwortung Gebühren für Studierende aus Nicht-EU-Staaten zu erheben. Ich habe die Hochschulen gebeten, bei einer möglichen Einführung mit Augenmaß vorzugehen.“ [2] Ob die Gebühren von bis zu 6.000 Euro unter das Kriterium „Augenmaß“ fallen, ist fraglich. Die beiden letzten TUM-Präsidenten hatten sich von Anfang an für das BayHIG engagiert. Auf der Website der TUM wird erklärt, der Zweck der Gebühren bestehe darin, den Studierenden eine bessere Ausbildung zu bieten und sich im Wettbewerb unter den Hochschulen abzuheben.
Die Einführung eines „Preises“ für Bildung erhöht jedoch nicht automatisch deren Qualität. Zudem sind Universalität und Gleichheit unverzichtbare Werte einer Universität. Menschen mit hoher akademischer Qualifikation haben aufgrund hoher Studiengebühren in anderen Staaten oft nicht die Möglichkeit, dort zu studieren. Sie nehmen deshalb oft an deutschen Hochschulen ihr Studium auf. Das ist für ein Land, das ständig über den Mangel an qualifizierten Fachkräften klagt, ein sehr großes Potenzial. Andere Bundesländer schlagen deshalb gerade jetzt einen anderen Weg ein: So bereitet Baden-Württemberg, wo ein ähnliches Gesetz bezüglich der Erhebung von Studiengebühren schon seit Jahren gilt, deren Aufhebung vor. Die Studiengebühren sollen dort laut Koalitionsvertrag sogar von derselben Wissenschaftsministerin, von Theresia Bauer, abgeschafft werden, die es ursprünglich einführte.
„Kostenfreies“ Studium?
Politiker*innen und Verwaltungsbeamt*innen legen ausländischen Studierenden auch abseits von Studiengebühren genügend Hindernisse in den Weg. So müssen diese vor Beginn des Studiums finanzielle Rücklagen nachweisen. Im Vorfeld des Studiums bezahlen sie darüber hinaus bereits Gebühren für ihr Visum und nach ihrer Ankunft in Deutschland regelmäßig auch für ihre Aufenthaltsgenehmigung. Außerdem müssen sie eine eigene Krankenversicherung abschließen, während Inländer*innen meist familienversichert sind. Während EU-Staatsbürger*innen BAföG in Anspruch nehmen können, ist dieser Weg für alle anderen versperrt. Der Mangel an Wohnheimen und die Diskriminierung von Ausländer*innen bei der Wohnungssuche erschweren das Studium zusätzlich. [3] Jetzt auch noch hohe Studiengebühren zu erheben, würde noch mehr Hürden schaffen und damit noch mehr Menschen ausschließen.
Die unterschiedliche Behandlung einer bestimmten Gruppe stört die Gleichheit und den Frieden auf dem Campus und trägt zur Schaffung eines diskriminierenden politischen und sozialen Klimas bei. Es ist derzeit politisch (noch) unmöglich, Studiengebühren von allen Studierenden zu erheben. Für Politiker*innen und für die TUM-Leitung scheint es aber verlockend zu sein, über ausländische Studierende, die keinen Einfluss über Wahlen nehmen können, ein erstes Einfallstor zu öffnen. Gerade populistische Politiker*innen versuchen auf Stimmenfang zu gehen, indem sie sagen, dass Menschen, deren Eltern in diesem Land keine Steuern zahlen, hier nicht „kostenfrei“ [4] studieren sollten. Bewusst verschleiert wird damit jedoch, dass die Menschen, die zum Studium nach Deutschland kommen, einen signifikanten akademischen, wirtschaftlichen und sozialen Beitrag für dieses Land leisten und Steuern zahlen.
Ich selbst komme aus einem dieser sogenannten Drittstaaten, habe in Bayern gebührenfrei meinen Master gemacht und arbeite jetzt als Doktorandin an der TUM. Der Erfolg meiner Doktorarbeit zeigt sich an den Stipendien, die ich bisher erhalten habe, und an der Aufmerksamkeit, die meine wissenschaftlichen Veröffentlichungen gefunden haben. Wenn ich Studiengebühren hätte zahlen müssen, hätte ich mir ein Studium in Bayern nicht leisten können und meine wissenschaftliche Karriere wäre nicht in Deutschland gestartet. [5] Ähnlich wäre es wohl auch vielen anderen mit vergleichbarer Herkunft ergangen, die zum Teil auch noch erfolgreicher als ich an der TUM studiert haben und heute in führenden Forschungseinrichtungen oder großen Unternehmen arbeiten. [6]
Alte Ideen neu verpackt
Die Erhebung von Studiengebühren ist nicht der erste Versuch, Bildung in Bayern zu kommerzialisieren. Im Jahr 2007 hatte die bayerische Regierung aus ähnlichen Gründen damit begonnen, von allen Studierenden Studiengebühren in Höhe von 100 bis 500 Euro pro Semester zu verlangen. Die Bevölkerung lehnte dies jedoch ab und so wurden die Studiengebühren 2013 über ein erfolgreiches Volksbegehren wieder abgeschafft. Auch damals wurden die zusätzlichen Mittel nicht zur Verbesserung der Qualität der Bildung, sondern zur Schließung des bestehenden Haushaltsdefizits der Hochschulen verwendet. Damit ist auch klar, dass ein Beitrag der Gruppe der ausländischen Studierenden nicht ausreicht, um beispielsweise zusätzliches Verwaltungs- und akademisches Personal einstellen zu können. Dies wäre aber notwendig, um die Qualität des Studiums an der TUM spürbar zu verbessern. Als Alternative wäre denkbar, dass nur ausländische Studierende im Gegenzug für das von ihnen gezahlte Geld bestimmte Privilegien erhalten. Die Kapazitäten des TUM-Personals reichen jedoch nicht aus, um den Anforderungen und Bedürfnissen dieser neuen Gruppe von Studierenden gerecht zu werden und das Personal könnte auch die zusätzliche Arbeitsbelastung nicht bewältigen.
Die Wiedereinführung von Studiengebühren für eine einzelne Gruppe wäre ein Rückschritt für die gesamte bayerische Studierendenschaft und für die Gesellschaft. Schritt für Schritt werden mit den üblichen Argumenten, Studiengebühren normalisiert und sie könnten auf absehbare Zeit auch wieder für alle erhoben werden. Die TUM sollte daher diesen Fehler korrigieren und alle Mitglieder der bayerischen Universitäten sollten sich mit den ausländischen Studierenden gegen die Studiengebühren solidarisieren, damit Bildung für alle zugänglich bleibt.
von Meltem Çavdar
Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TUM School of Engineering, Department of Architecture
Mitinitiatorin der Initiative „Stoppt Studiengebühren!“
Auf dem Instagram-Profil finden Interessierte weitere Informationen, Neuigkeiten und aktuelle Termine zum Mitmachen.
[1]: Technische Universität München: Studiengebühren für Studierende aus Nicht-EU-Ländern. Zugriff am 31. Oktober 2023, vgl. tum.de
[2]: Krass, Sebastian: Das Thema Studiengebühren ist wieder da. Zugriff am 31. Oktober 2023, vgl. sueddeutsche.de
[3]: Sicconi, Heike: Caritas thematisiert Diskriminierung bei Wohnungssuche. „Das ist leider Alltag in Deutschland“. Zugriff am 31. Oktober 2023, vgl. domradio.de
[4]: Der Begriff „kostenfrei“ wird verwendet, um den Eindruck zu erwecken, dass Menschen aus dem Ausland keine Kosten haben. Bei einer Währung wie der türkischen Lira, die gegenüber dem Euro sehr schwach ist, ist ein Studium in Deutschland allein schon deshalb sehr teuer.
[5]: Selbst wenn ich einen Kredit aufgenommen und mein Masterstudium abgeschlossen hätte, hätte ich bis heute als Beschäftigte im wissenschaftlichen Mittelbau den Kredit nicht zurückzahlen können.
[6]: Krass, Sebastian: Mit Studiengebühren hätte ich nicht hier studieren können. Zugriff am 31. Oktober 2023, vgl. sueddeutsche.de